Rad-Tarife einzigartig in Europa! - ÖBB Kandidat für den Trottel-Award
Seit heuer gilt ein absurdes, von der Entfernung abhängiges Ticketsystem für die Radmitnahme.
Bisher galt: Pauschal 5€ für die Tageskarte in Regionalzügen, 10€ für den Fernverkehr inkl. einer Reservierung. Die Wochenkarte im Regionalverkehr kostete 10€, es gab auch eine Monatskarte.
Nun ist jede Fahrt einzeln abhängig von der Entfernung, mindestens jedoch 2€, zu bezahlen. Im Fernverkehr fallen weitere 3,50€ an.
Die Reservierung kostet nur am Bahnschalter 3,50 bzw. bei Buchung im Internet 3€.
Hier ein Beispiel, wie toll die Buchung für Bregenz - Wien funktioniert: Mehrmaliges Umsteigen, Fehleranzeige inkludiert.
Preissteigerungen
Wie nicht anders zu erwarten sind damit Preissteigerungen verbunden, die jeden Rahmen sprengen. Zunächst einmal wurde die Ermäßigung für für die Vorteilscard abgeschafft, es gibt ausschließlich Vollpreiskarten. Voriges Jahr kostete die Tageskarte 2,50 mit Vorteilscard statt 5€.
Gleichzeitig wurde eine Anzeigenkampagne für die Vorteilscard mit Anzeigen begonnen. Das gibt gleich das richtige Signal, nämlich das der Verarschung.
Die Tarife selbst sind ebenso undurchsichtig wie exorbitant.
Zunächst ein Beispiel für die Kurzstrecke.
Wien-Mödling (ca. 10km): Hin und retour 4€ statt bisher 5€ Vollpreis, für Vorteilscard-Inhaber bisher 2,50€. Stammkunden zahlen also mehr, Gelegenheitskunden weniger im unmittelbaren Nahverkehr. Ein richtungsweisendes Signal, das jeden aufkommenden Wunsch auf näheren Kontakt mit den ÖBB im Keim erstickt. Wer eine Voreilscard hat, zahlt für das Fahrrad mehr als für seine eigene Fahrkarte.
Die Wochenkarte für diese Distanz kostet nun 8€ statt bisher 10€.
Wien - St. Pölten (ca. 60km): Zumindest ab Westbahnhof ebenso wie Wien - Mödling, also 2€ pro Fahrt., Wochenkarte 8€.
Wien – Retz 2€, Wochenkarte 8€ (80km)
Wien - Amstetten (ca. 100km): Zumindest ab Westbahnhof 2,50€ pro Fahrt, Wochenkarte 8€. Sehr sinnig!
Wien - Pamhagen (ca. 90km): Hin und retour 8€ statt bisher 5€ Vollpreis, für Vorteilscard-Inhaber bisher 2,50€. Für Vollpreis plus 62%, für Vorteilsticket plus 225%. Dazu kommt, dass die Wochenkarte seltsamerweise nicht 16€, wie zu erwarten wäre, sondern 20€ kostet. Plus 100%, auch nicht schlecht.
Weiters gibt es zahlreiche unvorhersehbare Unbekannte, wie der Abfahrtsbahnhof in Wien, eventuelle leere Bahnkilometer aufgrund von Umrundungen der Stadt über Verbindungsstrecken, die die Distanz schlagartig vergrößern und die Fahrkarte verteuern.
Geradezu abstrus wird die Tarifgestaltung in der Region Neusiedlersee.Von Wien nach Donnerskirchen am Neusiedlersee über Neusiedl beträgt der Preis 2€, die Wochenkarte kostet 8€. Nur zwei Stationen weiter liegt Eisenstadt, Preis 4€ (Wochenkarte 16€). Eisenstadt kann man auch über Ebenfurth erreichen. Bis Ebenfurth kostet es 2€ (Wochenkarte 4€). Kurz danach kommt Wulkaprodersdorf, eine Station von Eisenstadt entfernt. Bis Wulkaprodersdorf und Eisenstadt sind es dann 4€ (Wochenkarte 16€). Besonders interessant ist auch, dass Neunkirchen, von Wien aus weiter südlich als Eisenstadt gelegen, nur 2€ (Wochenkarte 4€) kostet.
Dasselbe gilt für die östliche Seite des Neusiedlersees. Bis Neusiedl am See 2€ (Wochenkarte 4€), bis Pamhagen 4€ (Wochenkarte 16€) oder auch bei einem anderen Abfahrtsort in Wien 4€ (Wochenkarte 20€).
Abgesehen davon, dass die Preise vollkommen willkürlich daherkommen, liegt hier ganz offensichtlich eine Manipulation vor. Es ist sonst nicht erklärbar, warum ausgerechnet auf der Westbahn die Preise für die doppelte Strecke um 50% niedriger sind, als für die Fahrt nach Eisenstadt oder Pamhagen. Während Retz etwa 80km ausmacht und Pamhagen ca. 85km, liegt Amstetten 120km von Wien entfernt und St. Valentin noch weiter. Der Preisunterschied von zwei Stationen Regionalbahn zwischen Donnerskirchen und Eisenstadt läßt sich ohnehin bei einer behaupteten Berechnungsbasis von 10% des Normaltarifs nicht nachvollziehen.
Europaweit einzigartig! Vertrottelt!
Hat irgendeine Bahn ein ähnlich vertrotteltes Abrechnungssystem? Wohl nicht, denn die wichtigsten Bahnen in Europa verrechnen nach wie vor mit Pauschaltarif, also Tages-, Wochen- oder Monatskarten.
Schweiz
In der Schweiz gib es eine einheitliche Tageskarte für alle Züge um ca. 12€, mit Ermäßigungsausweis halber Preis. Für kürzere Fahrten ist es möglich, statt der Tageskarte einen weiteren Fahrschein zum Personentarif (Halb- oder Vollpreis) für das Fahrrad zu kaufen.
Frankreich
In Frankreich ist die Mitnahme von Fahrrädern in Regional- und Eilzügen gratis, sonst 10€ pro Fahrt inkl. Reservierung. Das gilt sowohl für TGV-Züge, als auch für Nachtverbindungen mit eigenem Gepäckwaggon. Die SNCF kommt mit ein paar Sätzen aus und alles ist gesagt.
Niederlande
In den Niederlanden ist die Mitnahme in praktisch allen Zügen möglich, es gibt keine Reservierungen. Mit einer Tageskarte sind beliebige Fahrten unabhängig von der Zugart möglich.
Deutschland
Welche Planung?
Über die Motive dieser Aktion kann nur geraten werden. Eine Hypothese: Angeblich werden pro Jahr 300.000 Fahrräder transportiert. Genaues weiß man nicht, denn im Gegensatz zu den SBB und der Deutschen Bahn publiziert die ÖBB keine genauen Zahlen.
Möglicherweise hat sich jemand mit einem BWL-Masterstudium gedacht, wenn wir Betrag X benötigen und die 300.000 mal der durchschnittlichen Preiserhöhung nehmen, dann bekommen wir Betrag Y und schon ist die Bilanz gerettet.
Das haben sich die Wiener Linien in den letzten zwei Jahren auch gedacht. In diesem Zeitraum wurden zwar die Jahreskarten verbilligt, aber die Wochenkarten von 12,50 auf 15,80 erhöht. Der Einzelfahrschein kostet statt 1,80 nun 2,10 und die 8-Tage-Streifenkarte 35,80 statt 28,80 €. Die Reaktion der Geschröpften blieb nicht aus, aber anders als sich die beschränkt denkenden Wiener Linien gedacht hatten. Es gab einen Fahrgastrückgang, viele MonatskartenbesitzerInnen stiegen auf die verbilligten Jahreskarten um und das Endergebnis sind geringere Einnahmen der Wiener Linien.
Schikanen
Schon vor der "Reform" wurde die Radmitnahme bei den ÖBB vom Verein für Konsumenteninformation als schikanös bezeichnet. Wie ist das erst jetzt?
Was wäre eine einfache Lösung gewesen?
Wenn es den ÖBB wirklich darum gegangen wäre, den Tarif im Nahbereich kundenfreundlicher zu gestalten, dann hätte genau eine Fahrscheinkategorie neu genügt.
Zusätzlich zu den bisherigen Tageskarten um 5€ bzw. 2,50 (Vorteilscard) und 10€ Fernverkehr wäre nur die Möglichkeit zum Kauf eines Einrichtungsfahrscheins um pauschal 2,50€ nötig gewesen. Damit hätte sich das Problem mit den einfachen Fahrten gehabt, die Vorteilscard hätte weiterhin Sinn gemacht und die Bürokratie wäre minimal gewesen.
Aber nein, da muss alles neu organisiert werden, damit die Verwaltung ordentlich zu tun hat. Um das Ganze dann zu finanzieren, wird in Nebenbereichen ordentlich abgezockt. Das Einfach-Raus-Ticket kostet dann geschmalzene 44€ für Radmitnahme, 35€ ohne (bisher 35€ bzw. 28€), und das heißt dann Reduzierung der Tarife. Wenn zwei Personen also nicht allzu weit fahren, also z.B. von Wien nach Payerbach-Reichenau, dann ist es billiger wenn sie das Einfach-Raus-Ticket ohne Fahrrad um 28€ nehmen und die Räder extra zahlen. Dafür müssen sie aber statt einem fünf Fahrscheine kaufen
Zusammenfassung
Da sind ausgesprochene Idioten am Werk, an denen es den ÖBB wahrlich nicht mangelt.
Bahnfahren mit dem Fahrrad - ein Vergleich
So ist das in Österreich und in anderen Ländern.
WEB_internationaler_Velotransport.pdf (1241384)
Von der Schweiz kommt man auch wo hin.
Internationale Zugsverbindungen mit Veloselbstverlad.pdf (112887)
Schikanen für Radler
KONSUMENT 4/2013 veröffentlicht: 21.03.2013
www.konsument.at/cs/Satellite?pagename=Konsument/MagazinArtikel/Detail&cid=318884707206&pn=1
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