Wie schaffen das andere Bahnen?

15.06.2014 14:17

Generell gehen andere Bahnunternehmen offensichtlich anders an die Sache heran als die ÖBB. Tschechien und die Schweiz setzen auf Waggons statt auf leere Tunnelröhren und Pseudobeschleunigungen.

 

Tschechien

Die tschechische Bahn CD betreibt das dichteste Bahnnetz Europas. Nirgendwo sonst fahren so viele Züge bezogen auf die Fläche des Landes und auf die Größe der Bevölkerung. Die Hauptstrecken werden mindestens einmal pro Stunde bedient, aber auch auf vielen Nebenstrecken fährt ein Zug pro Stunde. Nur auf Nebenstrecken, die keine Anbindung an beiden Enden haben, muss man mit einem Intervall von zwei Stunden rechnen.

 

Die CD investiert in erster Linie in Waggons. Außerdem betreibt sie eine recht geschickte Ankaufspolitik, indem sie moderne Züge am Spotmarkt zu Billigpreisen kauft. So hat die CD Pendolino-Züge aus Italien gekauft. Die neueste Erwerbung waren Railjet, die von den ÖBB storniert wurden und für die die ÖBB immense Pönalen hätte zahlen müssen. Jetzt fahren diese Züge auf der Verbindung Wien – Prag.

 

An Rollmaterial fährt die CD mit allem, was noch fahren kann. Das ist nicht immer der beste Standard, dafür ist Bahnfahren mit ca. einem Viertel der österreichischen Preise billig. Eine kurze Strecke bis 20 Kilometer kommt auf ca. 50 Cent Vollpreis, daneben gibt es auch noch Ermäßigungskarten und in Österreich schon längst entsorgte Kilometerbanken.

 

Das teilweise betagte Schienennetz wird schrittweise modernisiert. Der Schwerpunkt liegt auf den Verbindungen Ost-West im Land und nach Deutschland. Da Österreich tschechische Wünsche konsequent ignoriert, orientiert sich die CD nach Deutschland. Die vergangenen Jahre, in denen die Verbindungen von Prag nach Linz auf tschechischer Seite zweigleisig erneuert wurden, während auf österreichischer Seite weiterhin eingleisig gefahren wird, haben ihre Spuren hinterlassen. Diese österreichische Haltung hat den Gütertransport der CD einiges gekostet.

 

Außerdem renovierte die CD schon vor Jahren die Bahnstrecke nach Slavonice an der historischen Bahnlinie nach Waidhofen an der Thaya, nur um am Ende damit konfrontiert zu sein, dass die ÖBB nicht nur die alte Trasse nicht wieder in Betrieb nahm, sondern auch gleich noch jede Hoffnung begrub, indem sie den Betrieb zwischen Schwarzenau und Waidhofen einstellte.

 

An der österreichisch-tschechischen Grenze treffen bahntechnische Welten aufeinander. Während direkt an der Grenze die tschechischen Bahnlinien voll in Betrieb sind und ständig Züge zwischen Breclav und Znojmo über Mikulov fahren, existieren in Niederösterreich überhaupt keine Verbindungen mehr. Auch in Oberösterreich ist die Situation ähnlich.

 

Auf die absurde Entscheidung, Waggons zu verkaufen, würde bei der CD wahrscheinlich niemand kommen. Deshalb betreibt die CD nun im Alleingang die Verbindung Prag -Wien und fährt zum Teil mit umlackierten ÖBB-Waggons, während die ÖBB die Fernverkehrszüge bei stagnierendem Fahrgastaufkommen noch voller stopfen. Das ist der eigentliche Unterschied zwischen den ÖBB und der CD: In Österreich sind die Züge voll, weil die Kapazität reduziert wird, in Tschechien, weil die Züge regelmäßig und oft fahren und der Tarif billig ist.

 

Zudem bietet die CD nostalgischen Komfort. Die Bahnhöfe haben Fahrkartenschalter, mit Personal besetzte Gepäckaufbewahrungen, Gepäckversand von Bahnhof zu Bahnhof, größere Bahnhöfe Fernverkehrsschalter für Auslandsfahrkarten und überhaupt sieht dort ein Bahnhof noch wie ein Bahnhof aus und nicht wie ein mißglücktes Shoppingcenter.

 

Schweiz

 

Ein ähnliches Ergebnis, wenn auch einem anderen Komfortniveau, bietet die SBB. Auch die SBB kauft erst Waggons und erst wenn die Strecke voll ist, dann wird ausgebaut. Auf den Hauptstrecken gibt es generell Halbstunden- oder Stunde Takt, und das bis Mitternacht. Im Pendlerverkehr werden bei Kapazitätsüberschreitungen in einzelnen Zügen fahrplanmäßig kurz vorher kürzer verkehrende Züge eingeplant, um die Fernverbindung zu entlasten.

 

Auch die SBB fährt mit allem, was zur Verfügung steht. Auf die Idee Waggons abzuverkaufen ist auch dort noch niemand gekommen. Und wenn neue Züge angeschafft werden, dann werden sie auch garantiert gebraucht.

 

Der Tarif ist einfach und die Ermäßigungskarte (Generalabo genannt) im Verhältnis zum Fahrpreis günstig und hat sich schnell amortisiert. Praktisch jede/r Bahnfahrende hat so ein Generalabo.

 

Das Reglement für die Bahnen in der Schweiz – nur ein Drittel des Bahnverkehrs bestreitet die SBB, die übrigen sind Regionalbahnen – ist strikt. Die Strafzahlungen sind enorm und die Züge dementsprechend pünktlich. Als Folge davon sind auch die Pönalen für die Erzeuger von Waggons und Lokomotiven bei technischen Defekten entsprechend gesalzen.

 

Eine Vorgangsweise, dass die ehemalige Siemens-Generaldirektorin Ederer, nachdem sie nach dem Auffliegen von korrupten Praktiken im Konzern entfernt wurde, umgehend in den ÖBB-Aufsichtsrat gehievt wird, und dann sofort ein ÖBB-Auftrag an Siemens geht, das würde in der Schweiz kein Management mehr als 24 Stunden überleben. Deshalb kommt der Zug aus Wien nach Zürich auch fast nie pünktlich an der Grenze an. Statistisch sind im Fernverkehr der ÖBB nur 75% der Züge pünktlich, gemessen an österreichischen Standards. Ein solches „Erfolgsergebnis“ wäre in der Schweiz undenkbar.

 

Deshalb kann sich die SBB auch etwas mehr Kundennähe leisten. Dieser Bericht aus dem Schweizer Velojournal zeigt Dimensionen auf. Oder haben Sie schon mal einen ÖBB-Manager gesehen, der ein Rad eigenhändig eingeladen hat oder vielleicht einen Fahrkartenautomaten auf Übersichtlichkeit und Bedienbarkeit selbst betätigt hat? Und das gar in der Öffentlichkeit, umgeben von kritischer Öffentlichkeit? Eben.

 

 

SBB testet den Veloselbstverlad

Der Velotransport im Zug ist ein Dauerthema. Auch wenn mit dem Beginn des Winters die Brisanz abnimmt, taucht die Problematik der übervollen Veloabteile spätestens mit den ersten Sonnenstrahlen zu Ostern erneut auf. Die SBB verzeichnen pro Jahr rund 650'000 Velobeförderungen. Ein Grossteil davon entfällt jedoch auf wenige Spitzentage. Etwa 20 sind es laut SBB; vor allem sonnige Wochenenden und Feiertage. 

Um Fragen zum Selbstverlad zu klären, lud die SBB vergangene Woche zum Praxistest nach Olten. Der Test sollte Erkenntnisse darüber bringen, wie gut sich unterschiedliche Velotypen im vorhandenen Rollmaterial transportieren, bzw. ein- und ausladen lassen. Neben Vertreterinnen und Vertretern der SBB waren auch Pro Velo, Velojournal und SchweizMobil beteiligt. Über die konkreten Resultate will die SBB zu gegebener Zeit informieren. Eine gute Neuigkeit für Velofahrende, war dennoch bereits in Erfahrung zu bringen. Ab kommender Saison erhalten die stark frequentierten Strecken Zürich – Chur sowie die Gotthard-Linie zusätzliche Plätze für Velos. In Richtung Tessin soll im Sommer zu Spitzenzeiten ein Gepäckwagen angehängt werden, womit sich die Anzahl zu Verfügung stehender Veloplätze stark erhöht.